Anita Fetz Medien Echo.  
2003 Keine Sparübung bei der Bildung
Johann Aeschlimann im 'Bund' vom 7. Mai 2003
© Bund; 2003-05-07; Seite 9; Nummer 105

Keine Sparübung bei der Bildung
Nationalrat knapp und überraschend für sechs Prozent Wachstum
Der Bereich "Bildung, Forschung, Technologie" (BFT) soll vom Sparprogramm des Bundesrates vollständig ausgenommen werden. Das hat der Nationalrat gestern mit 80 gegen 76 Stimmen beschlossen.
Der Bundesrat und die SVP sind für einen Milliardenschnitt, die vorberatende Kommission, der Freisinn und die CVP für einen Halbmilliardenschnitt. Aber der Nationalrat entscheidet anders. Mit 80 gegen 76 Stimmen hat er gestern beschlossen, den Bereich "Bildung, Forschung, Technologie" (BFT) vom angekündigten 3,5-Milliarden-Sparprogramm vollständig auszuklammern und um jährlich 6 Prozent wachsen zu lassen. Ein Antrag der Basler Sozialdemokratin Anita Fetz, unterstützt von der gesamten SP, den Grünen und den Liberalen, setzte sich überraschend durch, weil Minderheiten beim Freisinn und bei der CVP ihr folgten. Bei der CVP seien dies etwa ein Drittel der Fraktion gewesen, schätzte Remo Galli (cvp, BE). In der FDP hatte sich Johannes Randegger (fdp, BS) offen neben Fetz gestellt und die Welschen, aber auch Leute wie den Präventivmediziner Felix Gutzwiller hinter sich gebracht.
Der vom Nationalrat beschlossene BFT-Rahmen für die Jahre 2004 bis 2007 beträgt 17,346 Milliarden Franken oder 3,1 Milliarden mehr als in der vorangegangenen Vierjahresperiode. Damit wird der Bund die Berufsbildung, die ETH, die kantonalen Universitäten, die Fachhochschulen, den Nationalfonds und andere Forschungseinrichtungen unterstützen.
Der Bundesrat will einen Teil dieser Gelder mit einer Kreditsperre belegen. In einem ersten Sparschritt kürzte er das Wachstum von BFT von 6 auf 5, in einem zweiten von 5 auf 4 Prozent. Pro Prozentpunkt beträgt die Differenz rund 500 Millionen Franken.
Zum ersten Schritt war die vorberatende Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) einstimmig bereit, nicht aber zum zweiten. Die Kommissionsmotion, es bei einer Steigerung von 5 Prozent zu belassen, wurde mit 95 gegen 48 Stimmen angenommen. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.
Der Nationalratsentscheid lege "die Latte höher", erklärte Anita Fetz im Anschluss. Sowohl für den Ständerat wie auch für das bundesrätliche Sparprogramm werde es nun schwieriger, die radikalere Drosselung durchzusetzen. Randegger rechnet damit, dass der Ständerat den "Weg der Mitte" geht und sich für ein 5-Prozent-Wachstum entscheidet.
In der Debatte wurden weitgehend die Argumente vom Vortag wiederholt. Linke, Grüne und Liberale erinnerten an die BFT-Anstrengungen des Auslands und hoben hervor, dass die Schweiz seit den Neunzigerjahren einen "Nachholbedarf" wettmachen müsse. FDP und CVP bezeichneten ein Wachstum von weniger als 5 Prozent als unzumutbar.
Auf Bundesratskurs lag einzig die SVP. Die beschlossenen Zuwächse seien "unkontrolliertes Wachstum", das "auf Pump" finanziert werde, erklärte SVP-Bildungspolitiker Theophil Pfister (SG). Nicht nur mit der Kassenlage argumentierte der Zürcher Parteipräsident Christoph Blocher, der zu einer Breitseite gegen das Versagen des Bildungssystems ausholte. Die Schüler lernten nicht mehr lesen und schreiben, und an den Universitäten stiegen die Studentenzahlen, weil die Anforderungen immer tiefer heruntergeschraubt würden. "So genannte Forscher" produzierten nichts als Papier. "Auch vier Prozent sind noch zu viel", sagte Blocher.
Eine Milliarde mehr oder weniger
Woher nehmen?
Eigentlich sind Regierung und Parlament auf Sparkurs. Der Bundesrat hat ein Entlastungsprogramm von 3,5 Milliarden Franken - einsetzend im Jahre 2006 - beschlossen. Das Parlament will eine Ausgabenbeschneidung in doppelter Grössenordnung. Es hat in Motionen befohlen, die Ausgaben in den vier kommenden Finanzplanjahren real einzufrieren.
Aus dem Schneider sind die Sozialdemokraten, die weder der Motion Walker (cvp, SG) noch dem Entlastungsprogramm zustimmen. Aber die bürgerlichen Parteien wollen sparen. Vor allem die Freisinnigen haben sich in der Bildungsdebatte demonstrativ hinter das Entlastungsprogramm gestellt. Sie wollen die 3,5 Milliarden sparen, aber sie sind kategorisch gegen die Drosselung des BFT-Bereichs auf 4 Prozent Wachstum, wie es der Bundesrat vorsieht. Die FDP zieht die Grenze bei 5 Prozent Wachstum, eine Differenz von 500 Millionen Franken. Wenn der Bundesrat dazu nicht bereit ist, will die FDP die Gewichte selbst neu setzen. Unter der Leitung von Fraktionschef Fulvio Pelli erarbeitet eine Task Force Vorschläge. Welche? FDP-Bildungspolitiker Johannes Randegger nannte gestern konkret die der Landwirtschaft vorbehaltenen Erlöse aus den Versteigerungen von Importfleisch, die in die allgemeine Bundeskasse umgeleitet werden könnten. Das mache bis zu 500 Millionen aus, sagte Randegger. So weit die 5 Prozent BFT-Wachstum. Woher kommt die halbe Milliarde für das sechste Prozent? Randegger forderte eine Überprüfung der "Strukturen" der "Maschine Bundesverwaltung", und FDP-Präsidentin Christiane Langenberger versicherte dem "Bund", die Task Force werde auch nach diesen Mitteln fahnden. Sie persönlich sei "eher für 6 Prozent" Wachstum.
Auf Bundesratskurs befand sich die SVP. Sie hat die BFT-Vorlage auf eigene Faust gekürzt, um dem bundesrätlichen Ziel von nur noch 4 Prozent Wachstum gerecht zu werden. Die Anträge stellte Hansruedi Wandfluh (svp, BE). Er blieb auf ihnen sitzen (CVP-Sparmotionär Walker enthielt sich jeweils der Stimme). Wandfluhs 4-Prozent-Version hätte alle BFT-Bereiche erfasst, aber nicht alle gleich. Am stärksten wäre der Nationalfonds beschnitten worden, dem die neuen Forschungsschwerpunkte - alle im sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich - gestrichen worden wären. Wandfluhs Begründung: "Kein direkter positiver Einfluss auf die Wirtschaft." Auch in der Grundlagenforschung müsse man Prioritäten setzen.
Johann Aeschlimann

Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion 'Der Bund'
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