Anita Fetz Medien Echo.  
2004 «...wie ein Mann und eine Frau für die Region einstehen»
Tilman Renz in der BaZ vom 22. März 2004
© Basler Zeitung; 2004-03-22; Seite 3

«...wie ein Mann und eine Frau für die Region einstehen»
Als Reaktion auf die Schliessung des Bombardier-Werks in Pratteln haben die Standesvertreter beider Basel, Anita Fetz (BS) und Hans Fünfschilling (BL), gemeinsam eine Interpellation eingereicht: Infrastrukturprojekte in der Nordwestschweiz sollen besser unterstützt werden, fordern sie vom Bundesrat.
BaZ: Frau Fetz, Herr Fünfschilling, der Bombardier-Schock hat Sie zu einer Interpellation veranlasst, in der Sie vom Bundesrat Unterstützung für den Strukturwandel in der Nordwestschweiz fordern. Inwiefern ist die Schliessung des Bombardier-Werks in Pratteln ein spezifisch nordwestschweizerisches Problem?
Hans Fünfschilling: Weil die Nordwestschweiz im Produktionssektor relativ schwach ist. Wenn nun dort Arbeitsplätze wegfallen, wird die Wirtschaft noch einseitiger auf den Pharmabereich ausgerichtet.
Soll der Bundesrat gefährdete Firmen und Branchen in der Region stützen?
Fünfschilling: Nein, die Stossrichtung unserer Interpellation geht dahin, dass der Wirtschaftsraum Nordwestschweiz Hilfe erhalten sollte, solange er noch gut dasteht und in der Schweiz noch zu den Nettozahlern für den Bund gehört. Lange waren wir dank unserer Branchenstruktur in Krisenzeiten weniger betroffen - doch wenn sich die Probleme häufen, könnte sich sich ändern.
Der Bundesrat soll also nicht warten, bis auch der Wirtschaftsraum Nordwestschweiz zum Sanierungsfall wird?
Anita Fetz: Bisher konnten wir den Strukturwandel in unserer Region immer aus eigener Kraft schaffen. Doch in Bundesbern wird die Nordwestschweiz nach wie vor kaum wahrgenommen, weder was ihre Potenz als zweitgrösster Wirtschaftsraum der Schweiz angeht, noch - was sich nun bei Bombardier beispielhaft zeigt - wie gefährdet diese Potenz ist. Es heisst immer, die Nordwestschweiz sei sowieso reich, habe eh keine Probleme und eine Pharmaindustrie, die zahlen kann.
Wird die Pharmaindustrie somit zum Klumpenrisiko?
Fetz: Sie ist unsere Stärke. Aber wir müssen aufpassen, dass die anderen Bereiche nicht einfach wegfallen und man die Region nur mit der Pharmawirtschaft gleichsetzt. Wir wollen nicht jammern, aber wir müssen zeigen, dass man eine starke Region nicht ständig daran hindern kann, sich weiterzuentwickeln, indem etwa die notwendigen Infrastrukturmassnahmen immer wieder aufgeschoben werden.
Wie etwa der Wisenbergtunnel?
Fünfschilling: Für den Wisenbergtunnel wird es wegen des knappen Geldes nun noch schwieriger. Zentral ist auch das ETH-Institut. Hier verlangen wir ja nicht einmal viel zusätzliches Geld vom Bund, nachdem die beiden Basel die Finanzierung vorläufig übernehmen wollen. Wir erwarten aber ein verbindliches Wort des Bundesrats für das Institut: Das wäre ein Signal in der Standortfrage des Instituts und zugleich ein Zeichen, dass der Bund bei der Forschung auf die Region Basel setzt.
Beim ETH-Institut haben bisher vor allem Basel und Zürich miteinander gerungen. Wenn man diese Ebene auf die Politik bezieht: Müssten nicht zunächst einmal die Vertreterinnen und Vertreter der Nordwestschweiz in einem Thema einig sein, bevor sie dann den Bundesrat in die Pflicht nehmen?
Fetz: Wir müssen uns auf gewisse Punkte einigen - und dann dezidiert auftreten. Viele Probleme sind nämlich im Rest der Schweiz zu wenig bekannt. Ein Beispiel: Wer weiss schon, dass die Swiss Hunderte von Arbeitsplätzen von Basel nach Zürich verschoben hat?
Dafür ist eine Interpellation aber die falsche Form. Mehr als eine Diskussion im Ständerat und dort sicherlich viele Respektbezeugungen gegenüber der Nordwestschweiz werden Sie damit nicht erreichen. Wie wollen Sie darüber hinaus aber wirklich Druck erzeugen?
Fünfschilling: Mit der Interpellation wollen wir die Botschaft vermitteln, dass Probleme in der Wirtschaftsregion Nordwestschweiz rasch Folgen für die übrige Schweiz haben können. Wenn Zürich hustet, ist allen klar, dass die Schweiz Grippe hat - bei Basel nicht. Wir müssen uns an der Ostschweiz orientieren: Diese Region hat vor zwei Jahren eine regelrechte Power-Group gebildet - mit Erfolg: Das Verwaltungsgericht des Bundes kommt nach St. Gallen.
Und beim Bundesstrafgericht, das nach Aarau kommen sollte, fehlte die Nordwestschweizer «Power-Group»?
Fünfschilling: Ja, dort hatten wir keine Chance.
Dort hat dafür die Tessiner Lobby gewirkt: Das Strafgericht geht nach Bellinzona. Haben Sie sich auch zu lange von der Stärke blenden lassen, die die Region Basel auf den ersten Blick ausstrahlt?
Fünfschilling: Das Gericht in Aarau hätte mehr symbolische Bedeutung gehabt, als dass es Arbeitsplätze geschaffen hätte.
Das hat die Tessiner nicht gekümmert.
Fünfschilling: Das Tessin tritt als Sprachminderheit auf. Das ist ein entscheidender Bonus, der uns fehlt.
Braucht Basel einen Opferstatus?
Fetz: Nein, das nicht. Aber in den nächsten Jahren wird es einen gigantischen Verteilungskampf geben. Bisher konnte man Interessenkonflikte dadurch lösen, das man Geld gegeben hat. Das geht nicht mehr. Deshalb müssen wir offensiver einstehen, was die Region betrifft. Nicht als Vertreterinnen und Vertreter der einen oder anderen Branche, sondern als Vertretung einer Wirtschaftsregion mit einem wichtigen Werkplatz.
Noch vor kurzem war von dieser Gemeinsamkeit wenig zu sehen: Als es darum ging, wie stark das Bildungs- und Forschungsbudget trotz Sparpaket noch wachsen soll, gab es unter den Vertretern der Nordwestschweiz unterschiedliche Haltungen.
Fünfschilling: Hier ging es weniger um regionalpolitische Aspekte als darum, wem Bildung wichtiger ist und wem weniger.
Fetz: In meinen Augen war es gerade die Bildungsdebatte, die den Bewusstseinswandel eingeleitet hat: Man erreicht mehr für die Region, wenn man die entscheidenden Schritte voraussieht und frühzeitig einleitet. Bei Bildung und Forschung war die Nordwestschweiz auf breiter Basis vertreten.
Fünfschilling: Das war ein Zufall, weil viele von uns in der vorberatenden Wissenschaftskommission sassen.
Fetz: War das wiederum ein Zufall? Wir können das, was nötig ist, mit der Portfolio-Bereinigung an der Universität Basel vergleichen: Diese ist schmerzhaft, doch in einem grösseren Rahmen ist die Basler damit den anderen Universitäten um drei Schritte voraus. Wir erwarten, dass die anderen Universitäten jetzt rasch handeln. Der Hochschulraum Schweiz ist zu klein, um an allen Universitäten alle Fächer anzubieten. Wir verlangen mehr Koordination und Arbeitsteilung.
Der Informationsfluss zwischen der Universität Basel und den Nordwestschweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist schon lange intakt. Werden Sie dies auch für andere Politikbereiche anstreben?
Fetz: Ich halte es für nicht realisierbar, zwanzig verschiedene Gesprächskreise zu gründen. Dafür fehlt uns die Zeit. Wir müssen Trends aufspüren und die nächsten Schritte erahnen. Veränderungen beginnen doch immer dadurch, dass sich einzelne Personen zu bewegen beginnen. Dort müssen wir andocken. Es reicht nicht mehr aus, nur das Hier und Jetzt im Auge zu behalten.
Was also werden Sie beim Wisenberg-Tunnel tun?
Fetz: Wir müssen uns mit den Vertretern der anderen Nordwestschweizer Kantone zusammentun. Für sich alleine ist hier niemand mehrheitsfähig, sondern nur dann, wenn sie sich gegenseitig unterstützen...
Fünfschilling: ...und zwar nach dem Motto: Hilfst du mir jetzt, helfe ich dir später. Das Problem des Wisenbergtunnels ist, dass er viel kostet und anderen Projekten das Geld wegnimmt...
Fetz: ...aber der ganzen Schweiz etwas bringt. Und das muss man klar kommunizieren.
Beim Wisenberg-Tunnel ist sich die Nordwestschweizer Deputation einig. Wo brauchts die Einigkeit noch?
Fünfschilling: Verkehrspolitisch vor allem beim TGV-Anschluss. Dann bei den Life Sciences: Hier müssen wir schauen, dass unsere Forschungskapazitäten nicht eingeschränkt werden...
Fetz: ...und das vor allem, wenn das nächste Sparprogramm des Bundesrats droht. Da müssen wir frühzeitig den Abwehrkampf organisieren. Und hier erwarte ich, dass nicht nur die Politik, sondern die ganze Wirtschaft wie ein Mann und eine Frau zusammensteht. Sonst geht es der Basler Universität ans Lebendige.
Und im Ständerat werden Sie beide wieder gemeinsam auftreten?
Fünfschilling: Ja. Diesen Ansatz, den wir nun gefunden haben, müssen wir weiterführen.
Fetz: Mit individuell zwar sehr unterschiedlichem Blickwinkel, aber wirkungsvoll: Neue Methode, neue Botschaft, verbunden mit einem klaren Selbstbewusstsein.
Interview Tilman Renz
Fragen zur Nordwestschweiz
Bern. Bis jetzt habe die Nordwestschweizer Region den Strukturwandel aus eigener Kraft ohne grosse «Hilfe» aus Bundesbern geschafft. Nach den 5700 gestrichenen Stellen in den letzten zwölf Monaten sei «aber ein Punkt erreicht, wo wir mehr Unterstützung durch den Bundesrat brauchen, um weiterhin ein wichtiger Wirtschafts- und Arbeitsplatzmotor für die ganze Schweiz zu sein», schreiben die Basler Ständerätin Anita Fetz und der Baselbieter Ständerat Hans Fünfschilling in ihrer ersten gemeinsamen Interpellation.
Konkret wollen sie vom Bundesrat wissen, ob dieser bereit sei, die für den Strukturwandel notwendigen Projekte «prioritär zu behandeln und zügig voranzubringen», ob er ausserdem bereit sei, die Forschung vom nächsten Entlastungsprogramm auszunehmen, und schliesslich, ob der Bundesrat dafür sorgen werde, dass das Projekt «ETH-Institut für Systembiologie» jetzt «mit hohem Tempo umgesetzt wird».
Mittels einer «Interpellation» wird der Bundesrat aufgefordert, zu Angelegenheiten des Bundes Stellung zu nehmen. In der Regel äussert sich der Bundesrat zu den Fragen bis zur nächsten Session. Wenn der Vorstoss in der Session behandelt wird, kann der Interpellant bzw. die Interpellantin «Diskussion» im Ratsplenum beantragen.
Die Schliessung des Bombardier-Werks in Pratteln hat auch die Sozialdemokratische Fraktion auf den Plan gerufen. Auch sie hat eine Interpellation eingereicht. Sprecherin ist Susanne Leutenegger Oberholzer (SP, BL). Tilman Renz
«Wir müssen uns auf gewisse Punkte einigen - und dann dezidiert auftreten.»
Anita Fetz, Ständerätin SP/BS
«Wenn Zürich hustet, ist allen klar, dass die Schweiz Grippe hat - bei Basel nicht.»
Hans Fünfschilling, Ständerat FDP/BL

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